Hohenhof Hagen
Leben im Kunstwerk
Es gibt Häuser, die Geschichte schreiben: Der Hohenhof in Hagen ist ein Baudenkmal von europäischem Rang, in dem sich große Künstler wahrlich "die Klinke in die Hand gegeben" haben, angefangen beim Künstlerarchitekt Henry van de Velde: Henri Matisse malte für den Wintergarten das Fliesentriptychon "Nymphe und Satyr"; von Johan Thorn-Prikker stammen die Treppenhausverglasung sowie die Schablonenmalerei im Arbeitszimmer; Reliefs von Hermann Haller flankieren das Hauptportal. Das Gebäude selbst, einst Wohnhaus des Kulturreformers Karl Ernst Osthaus, gilt als eines der wenigen erhaltenen "Gesamtkunstwerke" des Jugendstils. Es wurde - einem Gemälde ähnlich - bis ins Detail komponiert.
Weiterführende Informationen
Von der Architektur bis hin zu den Möbeln, Wanddekorationen und Bodenbelägen, Lampen, Stoffen und Geschirr: Jedes Element des "Gesamtkunstwerks" Hohenhof wurde für den betreffenden Raum individuell entwickelt. Weiterführende Informationen zur Gestaltung und Kunst des Hauses liefert eine PDF-Datei auf der Internetseite des Osthaus Museums Hagen.
Mann mit Visionen
Der begüterte Hagener Bankierssohn Karl Ernst Osthaus hatte seine eigene Vision vom Leben im industriell geprägten Ruhrgebiet. Ab 1906 plante er eine Künstlerkolonie mit Vorbildcharakter, die er auf einer bewaldeten Hochfläche errichten wollte: Hohenhagen war gedacht als Kulturoase inmitten des Industriebezirks, als Beispiel gegen das Absinken des Ruhrgebiets in eine völlig ungeplante Ansammlung aus tristen Fabriken und Kolonien. Insgesamt 16 Villen waren vorgesehen, und Osthaus holte hervorragende Künstler als Architekten zur Realisierung heran. Peter Behrens und Henry van de Velde entwarfen den Bebauungsplan der als modern-experimentelles Gesamtkunstwerk konzipierten Kolonie - doch letztlich konnte diese nur in Bruchstücken realisiert werden: Die Häusergruppe am nördlichen Stirnband wurde einheitlich nach Plänen des Künstlerarchitekten J.L.M. Lauwerik errichtet.
Villa "aus einem Guss"
Krönung der Kolonie sollte der Hohenhof werden. Zwei Jahre Bauzeit, von 1906 bis 1908, bedurfte es, bis die Vision des belgischen Künstlerarchitekten van de Velde realisiert war: eine Jugendstil-Villa "aus einem Guss" von überragender Architektur und mit teils eigens angefertigten Möbeln, Stoffen und Kunstwerken von Weltrang, darunter ein Fliesen-Triptychon von Matisse sowie das großformatige Werk "Der Auserwählte" von Ferdinend Hodler. Der Grundriss hat die Form eines Doppelhakens. Nur die östliche Hangfassade zeigt Achsensymmetrie, während Eingangs- und Gartenseiten die unregelmäßige Raumaufteilung widerspiegeln.
Der Ankerpunkt ist ein einmaliges Beispiel für das Zusammenwirken von Architektur und Kunst und setzt einen Gegenpol zur industriellen Entwicklung des Ruhrgebiets.
Museum des "Hagener Impulses"
Nach wechselvoller Geschichte beherbergt das Haus heute das angesehene Museum des "Hagener Impulses". Als Abteilung des Osthaus Museums Hagen liefert es - in Wort, Bild und Bauwerk - einen Überblick über die Geschichte des Folkwang-Museumsgründers Karl Ernst Osthaus. Neben der vollständig erhaltenen, eindrucksvollen Inneneinrichtung zeigt das Museum zahlreiche kunsthandwerkliche Arbeiten von Henry van de Velde, J.L.M. Lauweriks und der Hagener Silberschmiede. Wechselnde Sonderausstellungen zum Hagener Impuls komplettieren die beeindruckende Ausstellung. Als einziges Bauwerk in ganz Westfalen und der Metropole Ruhr wurde der Hohenhof 2015 zudem in das internationale Netzwerk "Iconic Houses" aufgenommen.
Der Hohenhof ist Standort folgender Themenrouten:
Tipps für Ihren Besuch
Architektengarten von Henry van de Velde
Geometrie in Vollendung
Van de Velde schuf einen typischen Architektengarten mit geometrischem Grundriss und architektonischer Raumbildung. Die südliche Gartenachse, deren Hauptmotiv, die Serenite von Maillol, die leider zerstört ist, zielt direkt auf das Arbeitszimmer. Heute steht auf dieser Achse das von dem jungen Bildhauer Johannes Ilmari Auerbach geschaffene Grabmal Osthaus'. Es wurde 1971, anlässlich des 50. Todestages des ehemaligen Hausherrn, von Meran nach Hagen überführt. Große Kunst auch hier im Außenbereich: Die Arkaden unter der Pergola schmückt ein fragmentarisch erhaltenes Wandbild mit "Kegelmännchen", das vermutlich von van de Velde selbst geschaffen wurde und an die historische Nutzung der Arkadengänge als Kegelbahn erinnert.
Menschen und Macher: Karl-Ernst Osthaus, Gertrud Osthaus
Karl Ernst Osthaus
Der Hagener Bankierssohn Karl Ernst Osthaus, geboren 1874, wusste trotz seiner eigenen sozialen Stellung um die Misere der Lebensverhältnisse, die die industrielle Entwicklung mit sich brachte. Und er wandte sich gegen ein Unternehmertum, das die Kunst aus Leben und Architektur verbannte. Osthaus plädierte für eine "Veredelung" der Menschen - er wollte Kultur in seine von ihm als "freudlos" empfundene Heimatstadt bringen.1902 eröffnete er in Hagen das Museum Folkwang, dessen Sammlung später von der Stadt Essen übernommen werden sollte. Osthaus starb 1921. Sein Lebenswerk, die Gartenstadt Hohenhagen, blieb unvollendet.
Gertrud Osthaus
Gertrud Osthaus, im Jahr 1880 als Tochter des Langenberger Textilfabrikanten Hermann Colsmann geboren, pflegte eine Leidenschaft für Kunst und Kultur, die der ihres Ehemannes in keiner Weise nachstand: Enthusiastisch und mit einem sicheren Gespür für neue Künstler prägte sie die berühmte Sammlung Osthaus entscheidend mit. Sie machte sich etwa für Arbeiten von Emil Nolde, Paul Gauguin und Vincent van Gogh stark und baute unter anderem Kontakte zu Aristide Maillol, Henri Matisse, Paul Cézanne und Pierre-Auguste Renoir auf. Bereits ein Jahr nach Osthaus' Tod heiratete Gertrud Osthaus erneut: Mit Adolf Stickforth, einem einfachen Lehrer für Landwirtschaft an der Folkwang-Schule, brach sie allerdings vollständig mit ihrem bisherigen, sehr gehobenen Lebensstil. Stattdessen führte sie bis zu ihrem Tod im Jahr 1975 im Chiemgau einen landwirtschaftlichen Hof, der nach wie vor in Familienbesitz ist.