technik – 3 studien in jazz (1960/61)
„rhythmen der technik bestimmen unseren Alltag. Rhythmen bestimmen den Charakter der Musik unserer Zeit: Jazz. Finden wir die Rhythmen der Technik im Jazz wieder? Dreimal stellen wir Jazz technischen Vorgängen gegenüber, wobei Musik und Bild ursprünglich nichts voneinander wussten. Gibt dieser Versuch eine Antwort?” Mit diesen Sätzen führen die Autoren in den Film „technik – 3 studien in jazz” ein. Die Filmbewertungsstelle Wiesbaden würdigte diesen Versuch mit dem Prädikat „besonders wertvoll“.
In drei fast gleich langen Szenen, den „drei studien”, präsentiert der Film Arbeitsvorgänge in verschiedenen Werkstätten des Unternehmens Fried. Krupp in Essen. Es geht um Stahl und seine Verarbeitung bis hin zum fertigen Endprodukt. Auf das gesprochene Wort wird gänzlich verzichtet. Besonders ist: Die Filmbilder sind Schnittreste des Films „Krupp heute – Menschen und Werk” aus dem Jahr 1958, die auf die vorhandene Jazzmusik geschnitten wurden.
Die erste Studie handelt vom „Guss”. In einer „reportage von glutfluss und erstarrung”– so der Zwischentitel – wird gezeigt, wie flüssiger Stahl zu Blöcken gegossen wird, wie diese aus den Formen entfernt und gesäubert werden und dann zur Weiterverarbeitung gehen.
Der zweite Teil des Films ist betitelt „schmieden – impression der bewegung im gleichtakt”. Ein großer glühender Stahlblock wird aus einem Schmiedeofen herausgefahren und mit einem Kran zur Schmiedepresse transportiert. Der Schmiedemeister ist der Dirigent: Mit Handbewegungen und Pfiffen dirigiert er den Einsatz des Kranführers. Sein Minenspiel lässt den Zuschauer hautnah knifflige Situationen und erlösendes Aufatmen miterleben. Der Stahlblock liegt jetzt in der hydraulischen Presse und das Schmieden, das heißt das Formen und Verdichten des Materials, beginnt. Gesteuert wird dieser Vorgang durch den Maschinisten an der Presse. Wie vorher beim Schmiedemeister bestimmen auch seine Handbewegungen den Arbeitsrhythmus der Maschine. In einer Bildüberblendung sieht man das Hin- und Herbewegen des Schalthebels und den sich drehenden Stahlblock im Gleichtakt. Nun wird das Werkstück, aus dem später eine Schiffswelle werden soll, durch die Presse weiter der endgültigen Form angenähert. Großaufnahmen zeigen die angespannten Gesichter des Maschinisten und des Schmiedemeisters, der mit seinen Anweisungen das Zusammenspiel der Maschinen bestimmt. Endlich wird der Wellenrohling aus der Presse gehoben und vorsichtig vom Kran auf dem Boden abgesetzt.
„mechanik – variationen über rotation und verwandlung” ist das Motto der dritten Studie. In schneller Abfolge und teilweise mit Farbverfremdung sieht man sich bewegende Maschinenteile,
rotierende Zahnräder und Werkstücke auf einer Drehbank. Stahlspäne lösen sich in Spiralform vom Werkstück und fliegen durch die Luft. Bohrer durchdringen Stahlplatten, und durch Feilen werden Zahnradzähne aller Größen passgenau zugerichtet.
In der Filmmusik wird versucht, das bewegte Bild und die Töne in eine neue Beziehung zueinander
zu setzen, hierfür ,,wurden bereits vorhandene, auf den technischen Charakter der Bildvorgänge eingestimmte Musiken zur dramaturgischen Schnittgrundlage” und neu arrangiert.
In der ersten Studie („guss“) folgte der Schnitt rhythmisch-synchron dem Takt; in der zweiten („schmieden“) ist die Bewegung innerhalb des Bildes analog dem Jazzrhythmus; in der dritten („mechanik“) wird der Versuch gemacht, den Bildrhythmus in synkopisch-selbständiger Funktion in einer Art solistischer Breaks mit Variationen wie ein Instrument im Orchester einzusetzen“. Die Musik der ersten Studie (,,For Hi-Fi-Bugs”) stammt von Pete Rugolo, einem ehemaligen Arrangeur von Stan Kenton, die der zweiten (der Blues „Lufthansa Jet“) von Martin Böttcher, bekannt
durch die Winnetou-Filme, und die der dritten (”Later Team“) von Pete Rugolo und Lloyd
Lunham. Es spielten das Orchester von Pete Rugolo und Mr. Martins Band.
Felix Hartelt, Historisches Archiv Krupp
Filmografische Angaben:
Produktionsjahr: 1960/61
Auftraggeber: Fried. Krupp
Produktion: Porta-Film GmbH (Hamburg)
Regie: Hans Heinrich Hermann
Kamera: Louis Peter Vigg
Drehbuch: Hans Heinrich Hermann nach einer Idee von Herbert Oberscherningkat unter Verwendung von Ausschnitten aus dem Material zum Film “Krupp heute – Menschen und Werk” (1958) von Eduard Wieser
Schnitt: Cas van den Berg
Musik: 1. Peter Rugolo, 2. Martin Böttcher, 3. Peter Rugolo/Lloyd Lunham
Format: 35-mm-Lichtton
Farbe: Farbe
Sprache: Deutsch
Laufzeit: 10 Min.
Verleih: Constantin-Filmverleih GmbH
Uraufführung: 1.9.1961 Universum-Kino, Stuttgart
Auszeichnungen: II. Internationale Industriefilmfestspiele Turin, 1961
“bester jugendbildender Film” auf 2. Nationalen Industriefilm-Fest- spielen in Berlin, 1961
Bundesfilmprämie, Internationale Filmwoche, Mannheim, 1961
„bester Kurzfilm” Musik im Film”-Festival, Valencia, 1962
Prädikat “besonders wertvoll”
Kontakt
Historisches Archiv Krupp
Villa Hügel, Hügel 1
45133 Essen
Prof. Dr. Ralf Stremmel / Felix Hartelt, M. Sc.
archiv@hak-krupp-stiftung.de
Eingangssequenz des Films “technik – 3 studien in jazz”, 1961
Foto: Historisches Archiv Krupp
Schmiedepresse-Szene im zweiten Akt des Films, 1961
Foto: Historisches Archiv Krupp