MONTAN.DOK/BERGBAU-ARCHIV BOCHUM

BERGWERKE RÜSTEN UM

Eine Explosion, ein Fördergerüst fällt in einer riesigen Staubwolke spektakulär in sich zusammen. Aber: „Die Stilllegung von Zechen ist nicht das Ende des Bergbaus“, so lautete 1972 die optimistische Botschaft dieser filmischen Bilanz der Rationalisierungsmaßnahmen im Ruhrbergbau seit Beginn der so genannten Kohlenkrise 1958.

Sprengung des Fördergerüstes der Zeche Graf Bismarck 2/6/9, Schacht 9, in Gelsenkirchen am 26. Juli 1968.

© Gesamtverband des deutschen Steinkohlenbergbaus, montan.dok 024901743001

FILMOGRAFISCHE ANGABEN

Produzent: Dido-Film (= Deutsche Industrie- und Dokumentarfilm GmbH, Düsseldorf)
Auftraggeber: Gesamtverband des deutschen Steinkohlenbergbaus
Produktionsjahr: 1972
Sprache: deutsch
Laufzeit: 10 Minuten
Format: 35-mm-Lichtton, Farbe
Archiv: Montanhistorisches Dokumentationszentrum (montan.dok)/Bergbau-Archiv Bochum

FILMINFOS

ZUM INHALT

Der Film beginnt spektakulär mit Aufnahmen von der Sprengung des Fördergerüstes von Schacht 9 des Steinkohlenbergwerks Graf Bismarck in Gelsenkirchen am 26. Juli 1968. Das Bergwerk war schon 1966 auf einem Höhepunkt der Kohlenkrise stillgelegt worden. Derartige Zechenschließungen seien aber nicht das Ende des Bergbaus, sondern vielmehr Bestandteil umfassender Rationalisierungsmaßnahmen, mit denen seit Ende der 1950er-Jahre Kosten reduziert und die Rentabilität gesteigert worden seien, um den deutschen Steinkohlenbergbau zukunftsfähig zu machen. Thematische Schwerpunkte im Film sind dann die betriebliche Konzentration durch die Stilllegung bzw. Zusammenlegung von Anlagen zu Verbundbergwerken, die Verschlankung des kostspieligen Streckennetzes und die Konzentration der Abbaubetriebe sowie eine weitgehende Mechanisierung und Automatisierung u. a. bei Gewinnung, Ausbau und Förderung unter und nach über Tage. Neben Aufnahmen aus dem Bergwerksbetrieb veranschaulichen Grafiken komplexere Zusammenhänge.

ZUR FILMPRODUKTION

Wenn „Bergwerke rüsten um“ die (technische) Modernität und Leistungsfähigkeit des deutschen Steinkohlenbergbaus betont, so bleibt der Film in seinem Erzählstil doch in der Tradition bergbaulicher Industrie- und Gebrauchsfilme einem sachlich-nüchternen und durchaus konventionellem Duktus verpflichtet, wenngleich Farbigkeit, Musik, Tricksequenzen und die knappen Kommentare durchaus zeitgemäß waren. Ein zentraler Topos war die Inszenierung moderner Großtechnik und hier die Darstellung von Fördermaschine und Fördermaschinisten, in der sich die Bildformel von der gewaltigen, vom Menschen in einer klar geordneten und sauberen Umgebung beherrschten Maschinerie symbolhaft verdichtet. Die Szene von der Ersetzung einer alten, handgesteuerten durch eine neue, vollautomatische Fördermaschine im laufenden Betrieb sowie dann die Aufnahmen von einer klinisch sauber anmutenden Grubenwarte, in der Bergleute im Anzug und mit Krawatte moderne Elektronik bedienen, fügt sich hier nahtlos ein. Sie bilden zugleich ein Gegenbild zu der von Dunkelheit, Enge und Staub gekennzeichneten Arbeitswelt unter Tage, die die öffentliche Wahrnehmung des Bergbaus und der Bergarbeit wesentlich bestimmt hat und noch heute bestimmt. Gerade in diesen Szenen präsentierte sich der Bergbau in „Bergwerke rüsten um“ einmal mehr als moderne, zukunftsorientierte „High-Tech-Branche“.

HINTERGRÜNDE DER FILMPRODUKTION

Die Sprengung des Fördergerüstes von Schacht 9 der Gelsenkirchener Zeche Graf Bismarck steht nicht nur für die teils dramatischen Folgen der seit Ende 1957/Anfang 1958 anhaltenden Kohlenkrise für Zechen, Bergleute und Bevölkerung (nicht nur) im Ruhrgebiet. Sie verweist ebenso auf die Widersprüchlichkeiten der gerade im ersten Jahrzehnt der Kohlenkrise unsystematischen und unkoordinierten Rationalisierungsmaßnahmen, mit denen die Förderkapazitäten der schwindenden Nachfrage angepasst werden sollten. Die Stilllegung des Bergwerks Graf Bismarck im Jahr 1966 war hoch umstritten und löste erhebliche Proteste bei Bergleuten und in der Bevölkerung aus, galt die Zeche doch als eine der produktivsten Anlagen des Ruhrbergbaus. Hier sollte die Gründung der Ruhrkohle AG im Jahr 1969 als Einheitsgesellschaft zunächst des Ruhrbergbaus Abhilfe schaffen. Die Stilllegung vor allem der leistungsschwächsten Bergwerke sowie umfassende betriebliche und überbetriebliche Rationalisierungs- und Konzentrationsmaßnahmen sollten eine optimale Nutzung der Lagerstätte und eine höchstmögliche Rentabilität gewährleisten. Bekanntlich ist eine dauerhafte Konsolidierung nicht gelungen. Vielmehr war die Geschichte der Ruhrkohle AG und später der RAG AG durch einen mehr oder minder permanenten Anpassungs- und Schrumpfungsprozess im deutschen Steinkohlenbergbau bestimmt, der im Jahr 2018 in die Schließung der beiden letzten produzierenden Bergwerke in Bottrop und Ibbenbüren mündete.